Beamen wir uns zurück ins Jahr 2003: Die Kölner:innen in den Stadtbahnen blättern in Zeitungen und Magazinen aus Papier oder lesen gedruckte Bücher, denn Smartphones oder Reader – wie wir sie heute kennen – sind damals noch nicht erhältlich. 2003 waren gerade etwas mehr als die Hälfte der Deutschen überhaupt im Internet und das mediale Angebot mehr als überschaubar. Es ist das Jahr, indem ich zunächst Karnevalfoto.de gründete und daraus die erste verlagsunabhängige Internetzeitung von Köln entwickelte.
Es begann mit dem Kölner Karneval
Die Idee zu Karnevalfoto.de stammt aus dem Jahr 1999 und resultiert aus den ersten reinen Digitalkameras, wie sie etwa Nikon mit der D1 anbot. Auf einem Event ließ ich als Art Director von Handelsblatt Junge Karriere die Gäste von einem Fotografen ablichten und wir verteilten kleine Flyer mit der Webadresse, wo die Bilder am kommenden Tag im Netz zu finden seien. Die Resonanz war überwältigend. Und so kam mir eines Nachts auf der Autobahn zwischen Düsseldorf und Köln die Idee, was wäre, wenn man die ganzen Jeck:innen im Kölner Straßenkarneval fotografieren würde und Ihnen die Bilder zum Kauf anbieten könnte.
Ich sicherte mir die Domain karnevalfoto.de. 2003 war es dann soweit, nachdem die großen Discounter auch viele Kölner:innen mit Hardware ausgestattet hatten. Wer erinnert sich nicht an die Schlangen vor den Supermärkten, wenn es wieder frische graue Kisten mit Monitoren gab. Wir bauten mit Plesq und Photoshop-Galerien einen eigenen Webshop für karnevalfoto.de und stellten rund 25.000 Fotos von Jeck:innen ins Netz. Innerhalb von 14 Tagen zählten wir auf der bis dahin unbekannten Domain über eine Million Zugriffe (Unique User) und es lagen tausende Bestellungen vor. Problem: Es gab damals keine digitalen Zahlungsdienstleister und wir füllten tausende Formulare für die Bank von Hand aus. Heute würde Karnevalfoto.de keinen Sinn mehr machen, denn jede Jeck:in ist nicht nur anders, sondern auch mit einer Digitalkamera ausgestattet.[/vc_column_text]
Technikrevolution: Die Content Management Systeme
Klar war, je weiter Aschermittwoch entfernt war, umso weniger wurden die Zugriffe auf karnevalfoto.de. Unser System wurde schnell kopiert und bald fanden sich Fotos von Menschen in Klubs im Netz. Also, was tun? Wir wollten nicht nur fotografieren, sondern aus und für Köln journalistisch und unabhängig berichten. Es war die Zeit, in der sich durch die datenbankbasierten Content Management Systeme (CMS) die Welt von Inhalt und Design im Netz revolutionierte. Wir entschieden uns für das proprietäre CMS Mambo. Das war seit 2000 vom australischen Unternehmen Miro entwickelt worden und es war Open Source. Mambo begeisterte viele und uns auch. Nach nur vier Wochen ging report-K mit dem integrierten karnevalfoto online. 2005 wurde aus Mambo das CMS Joomla, das wir nicht nutzten. Viele Jahre war Mambo im Einsatz bevor report-K zunächst auf EZ-Publish und später WordPress umgestellt wurde.
Medienrevolution
Aber für Menschen, die Online Journalismus betreiben waren die Content Management Systeme der Hauptgewinn. Wir konnten so schnell wie noch nie Inhalte publizieren. Und unsere Leser:innen, die sagten zu uns: Bei report-K lese ich das, was ich am nächsten Tag in der gedruckten Zeitung lese, noch am gleichen Tag. Denn ganz so schnell lief es am Anfang nicht, wie heute, wo alle überall live streamen können – außer im Funkloch. Wir mussten zu dem Ort fahren, an dem etwas geschah, dann zurück in die Redaktionsstube, Text schreiben und Bilder editieren, bevor wir diese blitzschnell online stellten. Und unsere Leser:innen mussten vor einem Rechner im Büro oder zuhause sitzen.
Übrigens lag der Anteil von Menschen, die das Internet 2003 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nutzten bei gerade einmal 53,5 Prozent. Das war knapp über die Hälfte der Deutschen. Es ist eine andere Online-Welt 2003. In Amerika wird eine Website mit Namen facemash.com von einem Harvard Studenten Mark Zuckerberg online gestellt. Heute ist der Siegeszug der Sozialen Netzwerke schon Geschichte. Im März 2007 sagte der damalige Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Michael Glos: „Ich habe Gott sei Dank Leute, die für mich das Internet bedienen.“
Im Jahr des Sommermärchens 2006 änderte sich noch einmal die Situation. Es gab zunehmend Mobilfunkkarten und Einsteck-Tools für Laptops. Die Verbindungen selbst in Köln waren extrem langsam. Aber die Redaktion konnte von unterwegs Texte und Fotos online stellen. Damit wurden wir noch einmal schneller und konnten aus Ratssitzungen oder bei Großereignissen Liveticker von vor Ort aus anbieten. Nur unsere Leser:innen brauchten in der Regel noch stationäre PCs mit DSL-Anschluss.
Smartphones
2007 begann in den USA der Siegeszug der Smartphones mit der Präsentation der ersten i-Phones, die in Deutschland erst 2008 auf den Markt kamen. Und damit änderte sich die Rezeption von Medien. Jetzt konnten digitale Medien überall genutzt werden und mehr noch: Die Menschen wurden mit dem All-in-One Gerät selbst zu Content Produzenten. Dazu kamen die Sozialen Netzwerke. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 sendeten die Fans ihre Bilder vom Public Viewing an der Kölner Lanxess Arena selbst ins Netz. Das Netz war teilweise so ausgelastet, dass die Fotojournalisten ihre Bilder nicht mehr in die Redaktion senden konnten.
In den Kölner Stadtbahnen wurden fortan nicht mehr auf Papier Nachrichten gelesen, sondern gewischt und vor allem gespielt.
Die 100.000er Grenze
Report-K wuchs redaktionell und wirtschaftlich zu einem respektablen Player der Kölner Medienlandschaft heran. Mehr als 100.000 Unique User informierten sich im Monat auf der Seite. Prozessjournalismus wurde immer wichtiger und die Rezipienten saßen nicht mehr an grauen Kästen, sondern lesen ihre Nachrichten heute auf dem Smartphone. Livestreams, ein eigenes Youtube-Studio und wieder mehr als 100.000 User auf den Social-Media-Kanälen von report-K.
Dann beherrschte Corona die Schlagzeilen und wir gewannen damit noch mehr Leser:innen, die gesicherten Informationen suchten. Bis zu einer halben Millionen Unique User lasen report-K in den Monaten nach dem Beginn der Pandemie. Report-K wurde für seine Berichterstattung über die Corona-Zeit von der Landesanstalt für Medien ausgezeichnet. Aber wirtschaftlich brachte die Pandemie den Verlag, der hinter report-K steht, in schweres Fahrwasser. Die Anzeigenerlöse brachen von einem Tag auf den anderen völlig weg und die staatlichen Hilfen konnten dies nicht ausgleichen.
Report-K wurde an einen Investor verkauft, der Kölns Internetzeitung für 2 Jahre unter seine Fittiche nahm. Mit dem Jahr 2024 übernahm ich als Gründer report-K zurück und gründete die gowomedien GmbH. Publizistisch ist report-K, trotz Paywall-Versuchs und einer geänderten Medienrezeption nach wie vor hocherfolgreich und erreicht Zugriffszahlen wie vor Corona, bis zu über 100.000 Unique User im Monat. Aber es gelang nach der Corona-Pandemie nicht mehr, die Redaktion wirtschaftlich abzusichern oder einen Finanzier zu finden, der Medienvielfalt schätzt. Das liegt am veränderten Wettbewerbsumfeld. Denn unabhängige journalistische Medien konkurrieren heute nicht mehr nur miteinander, sondern mit internationalen Social-Media-Plattformen, Unternehmenskommunikation bis hin zu staatlichen Behörden oder Staatsunternehmen und das nicht nur publizistisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich. Gerade auf kommunaler Ebene greifen städtische Behörden und städtische Unternehmen vielfach in den publizistischen und zunehmend wirtschaftlichen Wettbewerb ein und verschieben die Grenzen, die ihnen das Gebot der Staatsferne der Presse setzt, um ihre Angebote auszubauen. Dabei müssten gerade sie es sein, die sich für Medienvielfalt stark machen.
Am 1. September 2025 stellte report-K den Redaktionsbetrieb ein. Für Köln bedeutet dies: Es gibt weniger Medienvielfalt und weniger unabhängigen Journalismus in Deutschlands viertgrößter und NRWs größter Stadt.







